Unser österreichischer Truppenübungsplatz

 

Mit dem Ende der alten k.u.k. Monarchie 1918 und der zwangsweise Zuordnung Südmährens in die neu gegründete Tschechoslowakei verschwanden  auch die Strukturen des österreichischen Militärwesens.

Es ist heute fast unvorstellbar, dass der kleine Ort Leipertitz in Militärkreisen der Habsburger Monarchie sehr bekannt war. Vor dem 1. Weltkrieg kannte jeder Artillerieoffizier und viele Mannschaften unser Dorf !

Wie kam es zur Entwicklung des Leipertitzer Truppenübungsplatzes. 

Nach der schicksalhaften verlorenen Schlacht von Königsgrätz 1866 wurden die Weichen für Österreich in politischer und militärischer Sicht neu gestellt. Die verheerende Niederlage war die Folge fehlender Weiterentwicklung und dem zögerlichen Einsatz neuer militärischer Waffen. Bei Königsgrätz stellte sich heraus, dass das preußische Zündnadelgewehr den veralteten Vorderladern der Österreicher haushoch überlegen war und auch im Artilleriebereich  gewaltige Defizite zu Tage traten.

 So wurde die Suche nach geeigneten Standorten für die Übungsplätze der Artillerie intensiv voran getrieben. Basis waren die exakten militärischen Karten und Geländebeschreibungen, die seit Jahrhunderten im Habsburgerreich angefertigt wurden. Wir besitzen von Leipertitz militärische Beschreibungen aus der Josephinischen Landaufnahme. Diese Unterlagen wurden in der Zeit von 1764-1768 und 1780-1783 erstellt. Am Rande eines jeden Kartenblattes gab es eine Dorfliste mit den Einwohner- und Pferdezahlen, Unterkunftsmöglichkeiten und Entfernungen zu den nächstgelegenen Orten. Geschulte Offiziere des militärischen topographischen Dienstes ritten durch die Landschaft und zeichneten nach Augenmaß, also nach Sicht und Beschreibung im Freien auf. Doch mit verbesserten landwirtschaftlichen Methoden und einer starken Veränderung der  Landschaft durch Entstehung riesiger Parkanlagen um die Schlösser

(Eisgrub ist ein Paradebeispiel) ergibt sich eine andere Kulturlandschaft. Das Ausmaß der Ackerböden erhöhte sich in 100 Jahren um 50 % und der Anteil der Waldflecken sank auf ein Minimum. Das auf Grund solcher Veränderungen der Wert der militärischen Beschreibungen sank, liegt auf der Hand.

In früheren Zeiten der Monarchie kannte man kein "stehendes" Heer. Die Soldaten wurden regelmäßig zu Übungen und Manövern eingezogen. Die Unterbringung geschah in den Bauernhöfen der Dörfer, jeder Hof hatte ein "Soldatenstüberl" und einen Soldatenstall für die Unterbringung der Pferde, darüber wurden penibel Aufzeichnungen geführt. So können wir uns noch heute ein Bild vom alten Leipertitz durch diese militärischen Abhandlungen machen.  

 1781 schaffte Kaiser Franz Joseph I. die Leibeigenschaft ab und ließ viele Klöster schließen. Kasernen entstanden, so auch das Kloster der  Prämonstatenser "Klosterbruck" bei  Znaim oder die  Albrechtskaserne in Znaim. Die "99 er" ziehen ein. Seit 1884 nutzte das Militär das Areal und  machte den Kuhberg zu einen örtlichen Truppenübungsplatz.

Viele Städte breiteten sich durch Wohnungs- und Industriebedarf stark aus und veränderten nachhaltig die Landschaft.

Das Militär suchte fieberhaft nach Übungsgelände für verstärkt präziser werdende Artilleriewaffen mit immer größerer Reichweite und griff auf die alten militärischen Karten zurück. So kam Leipertitz und seine Umgebung immer mehr in den Fokus der Militärs Wir boten alles: Relative Nähe zu Wien, einen Eisenbahnanschluss, beste Transportwege und eine riesige Agrarfläche breitete sich östlich von Leipertitz aus. Entscheidend war, dass diese Fläche nicht besiedelt war, durch die in früherer Zeit verödeten Dörfer Hollnitz und Urbau in der Dürnholzer Gemarkung und deren unterlassenen Neubesiedlung. Von Leipertitz und weiter, nördlich von Dürnholz bis Weisstätten, Mariahilf und Wostitz gab es ein unbesiedeltes Schussfeld von über 8 Kilometern und das war sogar eben wie ein Brett ! Das gab es in der gesamten Monarchie nicht.

Geschütze, Munition, Ausrüstung und das Personal konnten ohne großen Aufwand zur Bahnstation Frischau/Leipertitz gebracht werden. Die  Artilleriegeschütze standen am Leipertitzer Ortsrand am "Ochsenberg" und in den "Breiten" und  schossen immer in die oben beschriebene Richtung nach Wostitz/Weisstätten. Die Sicherheitsfrage für die Landwirte auf den Feldern löste man pragmatisch. Der Trommler kündete die nächste Schießübung an,  die Bauern der betroffenen Dörfer mussten das Übungsgebiet am Vormittag meiden, erst ab dem Nachmittag durfte es betreten werden. Man bestellte  deshalb die Felder am Vormittag auf der anderen Seite des Dorfes.

So war immer Militär im Dorf und eine immer größer werdende  Zahl von Beobachtern hielt sich hier auf. Natürlich hatten die anderen umliegenden Dörfer auch Einquartierungen. So kann man heute noch Nachlesen, dass im Nachbarort Damitz 1908 alles voll belegt war durch die 6 er Dragoner und durch die Artillerie und als Sensation japanische und chinesische Offiziere als Besucher des Manövers dabei waren.

Leipertitz hatte seinen Höhepunkt  am 25.Juli 1911. Es kommt das Artillerieregiment Nr. 42 aus Wien zu Manövern. Mit einem Sonderzug kommen am 10. August 1911 800 (!) Offiziere an, darunter der Erzherzog Salvator (1847-1915) der Cousin von Kaiser Franz Josef. Er war zwar überzeugter Pazifist, aber als Spross des Hauses Habsburg vertrat er die Staatsräson. 

Parallel zur Artillerie wurde das ebene Gelände des Truppenübungsplatzes aber auch von anderen militärischen zukunftsweisenden Einheiten genutzt.

Hier zitieren wir aus dem Tagebuch des Leipertitzers Jakob Anger:

Juni 1910

Der Juni fing wieder mit Regen an.

Das Heu verdarb total infolge der vielen Regengüsse. Vom 25.-28. waren Truppen

vom k.k. Telegrafregimente hier die mit

drahtloser Telegrafie und Scheinwerfern

agierten aber keine namhaften Er-

folge erzielten infolge des vielen

Regens. Bei schöner Witterung können

sie sich auf 80-100 Kilometer verständigen

Diese Telegrafieregimenter und Scheinwerfereinheiten waren die Fortsetzung der Marineära der k.u.k. Armee. Kaiser Joseph II. gründete die österr. Marine, 1797 wurde Venedig ( *), Istrien und Dalmatien Österreichisch, man hatte eine große Mittelmeerflotte mit den Heimathäfen Triest ( heute italienisch) und Pola ( heute Kroatisch).

Von Schiff zu  Schiff funkte man sich Lichtsignale zu und dies wollte man auf dem Truppenübungsplatz Leipertitz auch an Land perfektionieren. Man brauchte dazu die gerade Fläche, den Sichtkontakt und das war auf der Leipertitzer, Wostitzer und Dürnholzer Ebene hervorragend gegeben.

Die ständige Präsenz des Militärs und die Möglichkeit vieler Gespräche zwischen den ehemaligen und den aktiven Soldaten die in den Soldatenstüberln ihr Quartier hatten war einer der Beweggründe der in vielen Waffengattungen gedienten Leipertitzer Soldaten einen Veteranenverein zu gründen. Dies fand 1913 statt. Nach 6 Jahren des Bestehens, in der neu errichteten Tschechoslowakei musste sich der Verein umbenennen, er   hieß jetzt "Unterstützungsverein gedienter Soldaten". Nach 1938 nannte er sich "Kriegerverein" und zählte über 100 Mitglieder.

Die Anwesenheit der Artillerieeinheiten war natürlich auch für die Kinder ein ständiges Erlebnis, sie umlagerten die Feldküche, die "Gulaschkanone", denn für die Jugend gab´s immer wieder mal eine überzählige Essenration von den Soldaten.

Mit Beginn des 1. Weltkrieges  1914 wurde der Truppenübungsplatz nicht mehr genutzt und die Erinnerung darüber verblasste.

 

* Venedigbesucher wundern sich auch noch  heute, dass täglich auf dem Markusplatz Wiener Walzer gespielt wird, dies hat seinen Ursprung aus der längeren Zugehörigkeit Venedigs zu Österreich heraus, denn auch in damaliger Zeit gab es täglich ein k.u.k. Platzkonzert.